In meinem ersten Jahr mit eigenem Motorrad blieb mir auch der erste Unfall nicht erspart. Um es vorwegzunehmen: Es war Eigenverschulden, es ist gottseidank glimpflich ausgegangen und es war kein Dritter daran beteiligt.

Unfallhergang

Im Bruchteil einer Sekunde war alles vorbei. Ich fuhr Ende August 2006 auf meiner Hausstrecke heimwärts. Obwohl ich die Strecke wie meine Westentasche kenne, fuhr ich eine sich verengende Rechtskurve zu schnell an und mußte in eine tiefe Schräglage gehen, um nicht nach aussen getragen zu werden. In diesem Moment kam ich mit dem Vorderreifen auf den Mittelstreifen, der Reifen rutschte sofort weg und griff dann wieder. Durch das Wegrutschen des Vorderrades und die Haftung unmittelbar danach wurde ich mit der Maschine aus der Schräglage aufgestellt. Ich hatte keine Chance mehr, die Maschine wieder in Schräglage und auf Kurs zu bringen. Es ging mit geschätzten 100 km/h in den Straßengraben und den angrenzenden Gegenhang.

Gedanken beim Unfall

Es war mein erster Verkehrsunfall überhaupt und ich werde alles daran setzen, dass es der letzte bleibt. Direkt vor dem Sturz fuhr ich einen Moment lang direkt auf den Straßengraben zu - ich wußte, dass der Sturz unvermeidbar war. In diesem Augenblick war keine Zeit für Panik oder Angst, alles ging einfach zu schnell. Ich erinnerte mich wie im Reflex daran, dass man sich bei einem bevorstehenden Sturz aufrichten soll, damit man möglichst über den Lenker abfliegt und sich nicht an den Lenkerenden verletzt. Das war das letzte, das ich bewusst umsetzte - ich richtete mich auf.


Der zerbeulte Tank

Danach berührte das Vorderrad den Boden im Straßengraben und es wurde heftig nach links geschlagen. Dabei wurde der Lenker verbogen und der Tank zerbeult. Ich hatte nicht daran gedacht - oder mich nicht dazu überwinden können - den Lenker loszulassen. Hätte es es getan, so wäre mir der Armbruch, den ich mir zuzog, vielleicht erspart geblieben. Durch den Lenkerschlag bekam ich meinen eigenen Ellenbogen in die Rippen gestoßen, der Radiuskopf der Speiche brach dabei - ein komplizierter Bruch, wie sich später noch herausstellen sollte.

Im nächsten Moment wurde ich von der Maschine geschleudert und schlug hart auf der Wiese auf. Ich landete mit der rechten Seite und im ersten Augenblick blieb mir die Luft weg. Und gleich danach begannen die Schmerzen. Es ist ein seltsames Gefühl, den Augenblick direkt nach einem Unfall mitzuerleben. Alles ist auf einmal ruhig, es ist richtig still. Der Motor der Maschine war durch den Sturzsensor abgeschaltet worden, deshalb waren auch keine Motorgeräusche mehr vorhanden. Es ist still und man riecht das Gras, in dem man liegt, besonders intensiv. Durchbrochen wurde die Stille nur durch mein eigenes Schreien, das ich vor Schmerzen nicht unterdrücken konnte. Ich weiss nicht genau, wie lange ich so dagelegen habe - es mögen Sekunden oder Minuten gewesen sein. Mein erster bewusster Gedanke direkt nach dem Sturz: "Scheiße, ich habe mein Motorrad kaputtgemacht".

Danach versuchte ich, mich zu bewegen. Es funktionierte. Ich stützte mich auf den gebrochenen Arm und sank sofort wieder zu Boden. Es gelang mir schließlich, mich mithilfe des unverletzten Armes aufzurichten. Ich hatte den Helm noch auf, das Visier hatte sich gelöst und hing an einer Seite herunter.


Das verbogene Heck

Ich stand wieder auf eigenen Beinen und torkelte im Straßengraben umher. Ich nahm wie in Trance wahr, wie einige Autofahrer langsamer wurden, mich durch das Fenster ansahen und dann wieder weiterfuhren. An dieser Stelle möchte ich mich bei den Betreffenden herzlich für ihre unterlassene Hilfeleistung bedanken. Das dritte oder vierte Auto blieb schließlich stehen und der Fahrer stieg aus. "Brauchen Sie Hilfe?", fragte er. "Nein", anwortete ich und nach kurzem überlegen: "Doch, ja". Ich weiß bis heute nicht, wer diese hilfsbereiten und couragierten Menschen waren. Fakt ist, dass der Autofahrer und seine Frau Rettung und Notarzt alarmierten, die kurz darauf eintrafen. Ausserdem rief er die örtliche Feuerwehr, die das Motorrad bergen sollte. Als ich auf der Rettungsliege lag, fragte ich die beiden, wer sie wären. Sie verweigerten mir jedoch die Antwort und meinten lediglich, dass ihre Hilfe eine Selbstverständlichkeit für sie sei. Wer auch immer mir damals geholfen hat: Vielen Dank.

Während wir auf Rettung und Notarzt warteten, rief ich meine Frau an, die wenig später völlig aufgelöst am Unfallort erschien. Ich hatte ihr einen Riesenschreck eingejagt, der noch wochenlang nachwirken sollte.

Nach dem Unfall

Die Schäden an der Maschine konnten repariert werden. Es handelte sich in erster Linie um die gesamte Verkleidung, den zerbeulten Tank und den verbogenen Heckhilfsrahmen. Es war ein schönes Gefühl, die Maschine nach der Reparatur wieder wie neu vor mir stehen zu sehen.

Die "Reparatur" meines gebrochenen Armes gestaltete sich etwas langwieriger, wenn auch ebenso erfolgreich. Ich mußte für drei Wochen einen Gips tragen und bekam drei Monate nach dem Unfall das Metall entfernt, das zur Stabilisierung in die Speiche eingeführt wurde. Heute erinnert äußerlich nur noch eine kleine OP-Narbe an den Unfall.

Detail am Rande: Noch im Krankenhaus eröffnete ich meiner Frau, daß ich ein schnelleres Motorrad haben wollte. Eine Äußerung, die ihr die Zornesröte ins Gesicht trieb und die sie mir noch lange danach übel nahm.

Fazit

Ich habe einiges aus diesem Crash gelernt:

Seit dem Unfall bin ich ein anderer Motorradfahrer. Meine Augen tasten jede Kurve nach Gefahren und möglichen Sturzstellen ab, die Sorge vor einem erneuten Sturz fährt noch immer mit. Ich hoffe, daß dieser Unfall mein erster und mein letzter war. Es liegt mir nichts daran, etwas derartiges noch einmal zu erleben.

Martin Dunst, 19.1.2007
Zuletzt geändert am 27.10.2007