Fahrbericht
Ich hatte mich kaum von meinem Ritt auf der Honda Fireblade SC57 erholt, als ich die nächste Verabredung mit einer reinrassigen Schönheit hatte. Heute stand ein erstes Kennenlernen mit der Yamaha YZF-R1 auf dem Programm. Ein Fazit gleich vorweg: es ist eine Ehre, Motorräder wie der R1 fahren zu dürfen.
Womit wir auch schon bei einem wichtigen Punkt wären: Dem Fahrendürfen. Und ich muss abschweifen: Dieses Thema war bei meiner letzten Probefahrt mit der Fireblade eine Enttäuschung. Ich hatte das Gefühl, dass der Händler mir mit Argwohn begegnete und mir sein Vorführbike eigentlich gar nicht überlassen wollte. Ich traf ihn einige Tage später erneut auf einer Messe und fragte ihn, ob ich die Blade noch einmal fahren dürfte, um mir eine Meinung über ihre Landstraßentauglichkeit zu bilden. "Du hast sie doch schon gefahren", bekam ich zurück. Ich will nicht alle Hondahändler über einen Kamm scheren, aber von diesem Hondahändler habe ich genug.
Ganz anders läuft der Hase beim Yamaha-Händler meines Vertrauens, Zweirad Gesslbauer in Waisenegg. Es war die einfachste Sache, eine Probefahrt zu fixieren. Als ich zur vereinbarten Uhrzeit eintraf, stand die rote 2004er R1 bereits vollgetankt bereit und wartete auf mich. Von vielen anderen Händlern hört man oft nur: "Tank ist leer, Tankstelle ist dort drüben". Hier jedoch erstklassiger Service, man fühlt sich als Interessent ernst genommen. Man kann Yamaha Österreich zu Partnern wie dem Gesslbauer-Team nur gratulieren.
Sowohl Händler als auch Hersteller sollten wissen, dass wir Motorradfahrer keine Idioten sind. Und dass wir unsere Meinung über eine Marke nicht zuletzt beim Händler bilden.
Und als ich sie dort so stehen sehe, wird es mir einmal mehr klar. Die R1 ist von allen japanischen Supersportlern die schönste. Das war sie immer schon. Yamaha hat es geschafft, in Sachen Design der Konkurrenz immer um einen signifikanten Schritt voraus zu sein. Das ist natürlich erstens subjektiv und sagt zweitens nichts über die wahren Qualitäten eines Motorrades aus - und doch ist es für mich eine Tatsache: Die R1 sieht moderner und attraktiver aus als alle anderen. Dem kommt höchstens noch eine Ducati 1098 nahe. Und die Desmosedici natürlich - aber die kann man ohnehin nicht an normalen Maßstäben messen. Das Erscheinungsbild der 2004er R1 ist jedenfalls immer noch mehr als zeitgemäß, das der 2007er R1 zweifellos zukunftsweisend.
Vor der Probefahrt kommt das Ritual: Das Bike wird umrundet, begutachtet, man lässt die Maschine auf sich wirken. Auch das Cockpit wird erstmals genauer unter die Lupe genommen. Der Drehzahlmesser nimmt naturgemäß die dominierende Position ein, denn eine Sportlerin will gedreht werden. Für meinen Geschmack wurde der Drehzahluhr jedoch zu viel Gewicht zugestanden. Das geteilte LCD-Display, das dem Piloten alle anderen Informationen gibt, wird regelrecht an den Rand gedrängt, darunter leidet die Lesbarkeit. Hier hätte ich Yamaha mehr zugetraut, das geht besser. Sonst gibt es nichts zu bemängeln. Sehr schönes Bike, das einen hochwertigen Eindruck vermittelt.
Die Maschine hat auch zwei Gimmicks: Zum einen den Akrapovic-Endtopf, der wohl von vornherein über jede Kritik erhaben ist. Akra steht gleichermaßen für Qualität und Prestige. Zum anderen haben dem Vorbesitzer die serienmäßigen Spiegel und Blinker offenbar nicht gefallen. Deshalb hat er beides kombiniert und der R1 Blinkerspiegel spendiert, die eindeutig an die GSX-R erinnern und der R1 durchaus gut stehen.
Das Gebiet rund um den Händlerstützpunkt ist von Landstraßen bester Qualität durchzogen, eine Kurve folgt auf die andere. In einem solchen Moment ist man froh, in Österreich zu leben: Die Berge und jede Menge Kurven direkt vor der Haustür! Anders als die Fireblade, die ich aufgrund der knapp bemessenen Probefahrzeit ausschließlich auf der Autobahn fahren konnte, werde ich die R1 also im Winkelwerk bewegen. Nicht unbedingt die besten Voraussetzungen für einen fairen Vergleich, aber sei's drum.
Vor dem Aufsteigen ruft man sich noch die Eckdaten ins Gedächtnis und man fühlt sich irgendwie klein:
Es ist Zeit. Aufsitzen. Spiegel einrichten. Starten.
Die Maschine hört sich ausgesprochen gut an, der Akrapovic tut ein übriges. Das Gefühl ist gut. "Eine Stunde oder mehr, solange Du eben willst", das hat mir Andi Gesslbauer noch mit auf den Weg gegeben. Entspannte Lage, gut so. Zeitdruck verträgt sich schließlich nicht mit 172 PS. Mit dem typischen Yamaha-"Klack" rastet der erste Gang ein.
Die R1 gibt sich keine Blöße und fährt sanft an, ohne die Kraft zu verbergen, die in ihr steckt. Die ersten Kilometer werden genutzt, um moderat zu beschleunigen und das Aggregat auf Temperatur zu bringen. Schon der verhaltene Zug am Gashahn lässt die R1 die Straße fressen, dass meine 600er Fazer vor Neid erblassen würde. Die Tausender hat Power und etwas anderes hatte ich auch nicht erwartet. Das Yamaha-Flaggschiff zeigt mir auch, dass es nicht nur auf der Autobahn oder am Ring zuhause ist, sie räubert auch auf der Landstraße. Das Motorrad zeigt sich sehr handlich und lässt sich ohne Probleme und präzise durch Wechselkurven bewegen.
Beim Beschleunigen am Kurvenausgang aber mache ich die erste Entdeckung. Die Yamaha lässt sich Zeit, wenn ihr die Drehzahl nicht passt. Unter 6.000/min ist der Vorschub einer Sportlerin mit 172 PS nicht wirklich würdig. Auch die FZ1 Fazer, die ja den überarbeiteten Motor der R1 besitzt, verhält sich hier ähnlich. Von der R1 hatte ich aber mehr Druck im niedrigen Drehzahlbereich erwartet. Das Drehzahlband ist praktisch zweigeteilt. Unter 6.000/min gibt sich die Maschine zurückhaltend. Gibt man aber über dieser Marke Gas, dann zündet die R1 ein Feuerwerk, das seinesgleichen sucht. Der Motor schreit auf und giert vorwärts, es ist dann nichts Menschliches mehr an diesem Triebwerk.
Es ist unfair: Was mich bei der FZ1 nicht gestört hat, das nehme ich der R1 übel. Aber es ist, wie es ist - von einer "Rennmaschine" erwarte ich Druck in jeder Lage. Außerdem habe ich noch das Gefühl der Fireblade in der rechten Hand, die mir ihre Leistung in jedem Bereich sehr linear zur Verfügung gestellt hatte.
Aber wenden wir uns wieder den Kurven zu. Es macht einfach Spaß, mit der Yamaha tief über die Straße zu fliegen und die Maschine exakt durch die Winkel zu zirkeln. Wo sich eine ZX-10R gegen die Schräglage fast wehrte, da ist die R1 in ihrem Element. Doch auch hier gibt es Abstriche. Die Sitzposition auf der R1 ist auf Dauer anstrengend und ich kann nicht genau feststellen, woran es liegt. Meine Größe von 1,85 kann das Problem nicht sein, das hat auch die Blade problemlos ertragen. Aber je länger ich die R1 bewege, desto mehr schmerzen meine Handgelenke. Nach einer Stunde bin ich schließlich froh, absteigen zu können.
Es ist schwer, ein Urteil zu fällen - denn ein solches steht mir nach dieser Stunde nicht zu. Deshalb will ich lediglich meine subjektiven Eindrücke zusammenfassen.
Die Yamaha YZF-R1 RN12 ist ein sehr gutes Motorrad. Sie hat Power und sie hat Druck, wenn man sie über 6.000/min fährt. Dass eine solche Fahrweise mitunter anstrengend ist und die Schaltfrequenz eher an eine 600er erinnert, steht auf einem anderen Blatt. Die R1 ist handlich und fühlt sich auf der Landstraße sauwohl. Dass mir die Handgelenke nach einer Stunde wehtun, ist die Kehrseite der Medaille.
Ich bin der Meinung, dass ich wahrscheinlich nicht der Typ bin für ein Motorrad wie die R1. Sie ist für mich zu sehr Rennmaschine und zu wenig Alltagsbike. Der Fireblade würde ich beides zugestehen. Aber dieser Vergleich hinkt, denn zwischen der R1 RN12 und der Fireblade SC57 liegen erstens drei Modelljahre und zweitens sicher auch verschiedene Herstellerphilosophien. Yamaha macht einen kompromisslosen Renner, Honda ein durchdachtes Powerpaket.
Wenn ich diese Bedenken beiseite lasse und mich entscheiden müsste, so würde ich die Blade wählen. Und ich würde es tun, ohne eine Sekunde zu zögern.
Das letzte Wort ist allerdings noch lange nicht gesprochen. Es gilt, auch die SC50-Blade zu fahren und die R1 RN19. Auch die Suzuki GSX-R K6 interessiert mich und die Kawasaki ZX-10R Ninja hat ebenfalls eine zweite Chance verdient. Wenn es um Supersportler geht, dann wird die Luft sehr dünn. Leistung und Drehmoment liefern sie alle satt, am Ende entscheidet wie so oft der Bauch - beziehungsweise der Arsch, wenn es um Motorräder geht.
Dass die YZF-R1 RN12 nichts für mich ist, ist weder dem Bike noch mir anzulasten. Wir passen eben nicht zueinander.
Die Fireblade liegt in meiner persönlichen Hitliste in Führung, aber das kann sich noch ändern. Es gibt noch viele Bikes, die gefahren werden wollen. Die Suche geht weiter.
Und ich bekomme das Gefühl, dass sie niemals wirklich enden wird.
Martin Dunst, 26.4.2007
Zuletzt geändert am 13.10.2007
27.4.2007, 20:24
Hi, ich bin's wieder der SV Fahrer vom Leserbericht Deines Testberichts der Blade. Ich habe auch hier aufmerksam gelesen. Auch ich habe die R1 noch auf meiner List der zu fahrenden Bikes. Was ich aber an Deinem Bericht der YZF-R1 klar bemängeln muss, ist eben der Vergleich an sich: 2007er Blade gegen 2004er R1-das hinkt nicht nur sondern ist Apfel mit Birne. Du schreibst eindrucksvoll und hast Talent Deine Empfindungen 1:1 rüber zu bringen. Was Du dem Forum oder gar der R1 jetzt schuldig bleibst, ist ein Ritt auf der R1-RN19. Ansonsten zolle ich Dir natürlich meinen Dank und Respekt für Deine Berichte.
Gruß Markus
(ich denke am Ende wird die Klinge über uns siegen!)
27.4.2007, 20:37
Hallo Markus,
Vielen Dank fürs Lob! Eigentlich ist ein Denkfehler in meinem Bericht, den ich erst noch berichtigen muss. Der Vergleich hinkt deshalb nicht, weil ich die 2004er R1 mit der Fireblade SC57 verglichen habe. Und die gute SC57 gibts ebenfalls seit 2004. Aber prinzipiell hast Du nicht unrecht - die RN19 gehört auf jeden Fall auch gefahren und mit der Honda verglichen. Vielleicht berichtest Du mir ja, wie Dir die R1 zusagt, ich würde mich sehr freuen.
--Martin Dunst
6.6.2007, 14:42
Der Vergleich ist OK.
Beide Modelle sind in der Basis 2004 erschienen (RN12, SC57). Die SC57 07 entspricht bis auf funktionale Kleinigkeiten (Verkleidungsteile, Durchmesser Bremsscheiben, etc.) dem Basis Modelljahrgang.
16.4.2012, 17:14
Hi Peter,ich hatte seinerzeit vom Kauf Abstand emmognen. Es war doch sehr viel Geld f r in meinem Falle recht wenig Mehrwert. Okay, ich h tte vielleicht den Winter ber zur Arbeit fahren k nnen. Aber eigentlich war weniger die Gl tte der Grund, dass ich im Oktober auf das Auto umgestiegen bin sondern die Dunkelheit. Mir war die Fahrt einfach zu gef hrlich.Und in Sachen Sehen und gesehen werden ist der Scorpion meiner Ansicht nach noch eine Nummer unsicherer als ein normales Tourenrad. Wie dem auch sei: Inzwischen fahre ich wieder mit dem Rad zur Arbeit und genie e es (meistens)